B L O G

oder

die unendlich brodelnde Emotionssuppe

 

von

Annelie Jagenholz

 

Artikel in der Kategorie Erlebnisse im Bild

  • Zeus ruft ...

    Dienstag, 12. Januar 2016 - in Erlebnisse im Bild




    Der Olymp ist mir allgegenwärtig. Er taucht in der Ferne auf, wenn ich vor die Tür trete und die Sicht klar ist, ich sehe ihn von meinem Balkon aus oder wenn ich einige mir besonders liebe Strände in meiner unmittelbaren Umgebung aufsuche, die hauptsächlich dadurch bestechen, dass man dort ganz alleine ist, höchstens einige Angler ab und an auftauchen, ganz selten auch ein Schafhirte mit seiner Herde, die mal klanglos, mal röhrend laut vorüberstreift, oder jener Wahnsinnige, der zu jeder Jahreszeit nackt schwimmen geht. In den besonders kalten, winterlichen Temperaturen legt er sich erst einmal zehn Minuten in die Sonne, um den Körper aufzuheizen, während ich, dick angezogen, weitab sitze, bis ich ihn dann in schnellem Gang auf das Meer zugehen sehe, in dem er für einige Zeit verschwindet, manchmal noch Kopf wird, der auf dem Wasser treibt. Wir kennen uns von weitem schon lange und grüßen einander, ohne das Wort aneinander zu richten. Das gefällt mir, gerade weil ich dort auftauche, um Abstand von der Welt zu gewinnen, während er, aus wohl ähnlichen Gründen, abtaucht, um dazu noch seinen Körper gesund zu halten. Ich weiß nicht, ob ich Bewunderung hege oder einfach nur lächeln muss. Eigentlich ist es mir egal. Er gehört zu diesem Meer-Erlebnis genauso dazu wie der Berg in der Ferne.

    Erstaunen dagegen tut mich etwas anders. Es ist eigenartig, wie sich das Bergmassiv des Olymps mit dem Licht, den Wolken, der Bewegung des Wassers verändert, wie es vor meinen Augen innerhalb von Minuten wächst und schrumpft. Besonders schön ist es, wenn die gesamte Atmosphäre wie eine Zwischendimension wirkt, alles wie im Zwielicht ruht. Der Berg erhebt sich dann vor mir wie eine Fata Morgana, zeigt seine schneebedeckten Gipfel und verschwindet genauso schnell wieder hinter rauchenden Wolken.

    Weshalb ich in letzter Zeit gerade diesen Strand immer wieder aufsuche, liegt nicht nur daran, dass hier die Atmosphäre stimmt, sondern auch daran, dass es der Lebensraum von Delphinen ist, die im Winter (also in der besonders menschenleeren Zeit) bevorzugt auftauchen und mich so an ihren Spielen teilhaben lassen, ein Schauspiel, an das ich mich nie gewöhne, so sehr wirken ihre wunderschönen, gleitenden Bewegungen wie ein Wunder. Sie ziehen in einer größeren Horde Richtung Thessaloniki oder springen in der Ferne vor Frachtern und Schiffen dahin.
    Seit ich sie entdeckt habe, frage ich mich manchmal, ob sie nicht schon häufiger zu sehen waren, mein Blick dafür aber blind war. Nun jedenfalls ist er geschärft und ich erkenne sie fast immer. Sie haben eine bestimmte Zeit, in der sie erscheinen. Wenn ich Glück habe, sind sie so nahe, dass ich jedes Detail erkenne. Sie springen in unglaublicher Höhe, als ob eines dieser Tiere die Welt auskundschaftet, während die anderen dann zu zweit, zu dritt den gleichen Weg nehmen. Dieses Ereignis dauert immer nur einige Minuten, doch es erscheint mir wie eine Ewigkeit.


    (Foto: A. Jagenholz, 11. Januar 2016)

    ---