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oder

die unendlich brodelnde Emotionssuppe

 

von

Annelie Jagenholz

 

Dostojewskis Frühwerk - Teil 2

Samstag, 6. Januar 2018 - in Literatur

2. Dostojewski
„Das Gut Stepantschikowo“


In diesem etwas umständlicher formulierten Werk schafft es Dostojewski, einen niedrigen Charakter so hassenswert darzustellen, dass sich selbst der eine oder andere Leser über dessen Verhalten empört und die anderen In-Mitleidenschaft-Gezogenen bedauert. Das Buch strotzt anfangs irgendwie von teilweise recht absurden Einfällen, wobei ich mich ständig frage, woher Dostojewski seine Ideen bezieht, was in ihm vorgegangen sein mag, um diese Charaktere und Umstände zu schaffen.
Belegt ist, dass Dostojewski ein starkes Interesse an neurotischen und pathologischen Charakteren hatte, während er1844 mit dem Arzt A. E. Riesenkampf in Petersburg zusammenlebte, dessen Patienten ihn interessierten und denen er auch häufig begegnete. Viele dienten als Skizzen und Vorlagen für seine Figuren, hinter denen der Autor, selbst als Erzähler in der Geschichte und Ich-Figur, komplett verschwand.

Erste Andeutungen der Figur-Zeichnung verweisen schon auf später sporadisch in Romanen auftretende Gestalten, wobei dieses Werk einen einzigen schlechten Charakter und einen einzigen sehr guten (und damit nervigen) Charakter spiegelt. Teilweise sind die Figuren stark überzogen kreiert (was bei Dostojewski nicht selten geschieht, hier aber in extremer Form erfolgt), darunter der so anfällige und schwache Onkel oder der besonders miese Foma.

Das Buch ist lustig zu lesen, geht einem aber auch etwas mehr auf die Nerven als andere Werke. Dostojewski feiert nicht so sehr den schlechten Menschen, als das er zeigen möchte, dass auch im schlechten Menschen Gutes steckt, häufig mehr als erwartet. Er ruft Szene um Szene hervor, die das untermalen soll, wobei die Wiederholung dann einiges vom Leser abfordert, insbesondere Geduld.
Um sich die Details zu merken, benötigt man wirklich nur den Namen Foma Fomitsch, um die ganze Erinnerung an diesen Roman wiederzubeleben. Der Rest ist eine Art Drum-Herum und die Aussage ist: gibst du einem überheblich kleinlichen Menschen Freiraum und förderst die Eitelkeit, kriegt er Höhe und wird zum Tyrann. Schuld daran ist nicht nur er selbst, sondern gerade auch das Umfeld, das dem Ganzen den Raum bietet, die Leute, die das eitle Wesen unterstützen und mit unangebrachter Ehrfurcht fördern. Dostojewski sieht diese Gefahr bei Menschen, die sich ungebildet fühlen und die Bildung bei anderen Menschen überschätzen.

 

 

(Meine Rezension basiert auf der Gesamtausgabe von Zweitausendeins "Das Gut Stepantschikowo", Übersetzung: E. K. Rahsin)